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Crashkurs: Methoden der Kunstgeschichte

Methoden der Kunstgeschichte
© Stokkete/Shutterstock.com

Die Kenntnis der Methoden der Kunstgeschichte bildet die Grundlage zur eigenständigen Auseinandersetzung und der wissenschaftlichen Analyse von Kunstwerken. Die Methoden helfen dabei, eine komplexe wissenschaftliche Fragestellung selbstständig bearbeiten zu können und kunsthistorische Texte besser verstehen zu können. Dieser Crashkurs gibt eine erste Orientierung und Hinweise zur weiteren Auseinandersetzung.

Aufgrund der Komplexität des Gegenstandsbereiches verfügt die Kunstgeschichte nicht über eine zentrale methodische Theorie, wohl aber über ein breites Spektrum unterschiedlicher Zugangsmöglichkeiten. In der Regel werden mehrere Methoden miteinander kombiniert, die sich gegenseitig ergänzen. Welche Methoden in der Kunstgeschichte verwendet werden, hängt unter anderem vom Thema, dem Gegenstandsbereich und dem Ziel der Werkanalyse ab.

Im folgenden Text werden die wichtigsten Methoden der Kunstgeschichte kurz erläutert. Aufgrund der Komplexität dieser Methoden können sie hier nur angerissen werden. Die folgende Sammlung beginnt mit den Anfängen der Kunstgeschichte bei Lorenzo Ghiberti und Giorgio Vasari und endet mit den jüngeren Versuchen einer Neubestimmung des Faches. Zur weiteren Auseinandersetzung mit den kunstwissenschaftlichen Methoden geben wir Hinweise auf weiterführende Literatur.

Die Anfänge der Kunstgeschichte

Für das Verständnis der Methoden der Kunstgeschichte ist ein Blick auf die Geschichte des Faches unumgänglich.

Giorgio Vasaris (1511-1574) gilt als „Vater der Kunstgeschichte“. In seinen Lebensbeschreibungen der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten erschien 1550 und vereinte insgesamt 108 Künstlerbiographien über einen Zeitraum von drei Jahrhunderten. Zwar ging schon Lorenzo Ghiberti in seinem Werk „I commentarii“ auf das Leben der berühmtesten Künstler seiner Zeit ein, doch erreichte seine Schrift bei weitem nicht den Umfang und die Ausführlichkeit, wie die Viten von Vasari.

Giorgio Vasari: Lebensläufe der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten (amazon.de)

Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) steht Vasari zwar noch sehr Nahe, doch ihm gelang es, sich in wesentlichen Punkten von ihm abzusetzen. Für ihn standen nicht mehr die Künstlerpersönlichkeiten im Mittelpunkt, sondern die Kunstwerke. Winckelmann „entdeckte“ den künstlerischen Stil, der sich aus den politischen, religiösen, sozialen und klimatischen Bedingungen entwickelt. Damit gilt er als „Begründer der modernen Kunstgeschichte“.

Johann Winckelmann: Begründer der klassischen Archäologie und modernen Kunstwissenschaften (amazon.de)

Jakob Burckhardt (1818-1897) verlagerte den Schwerpunkt des kunstgeschichtlichen Interesses von der Stilgeschichte auf die Kulturgeschichte. Von großer Bedeutung ist sein 1860 veröffentlichtes Werk „Die Cultur der Renaissance in Italien“, in dem er den Menschen in den Mittelpunkt stellte. Burckhardt spricht von der „Entdeckung des Individuums“.

Jakob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien (amazon.de)

Stilanalyse / Stilgeschichte

Alois Riegl (1858-1905) revolutionierte mit dem Begriff des „Kunstwollens“ die Kunstgeschichte. Er forderte eine von Wertungen freie Betrachtung und Analyse von Kunstwerken. Jede Epoche bringe laut Riegl ihre spezifischen Werke hervor, auf die dann wieder eine Epoche reagiere. Die Wertung einer Epoche gegen eine andere komme deshalb nicht in Frage. Damit widersprach er der klassischen Kunstgeschichtsschreibung, die von führenden Kunstepochen ausging und andere als ungleichrangige Vorgänger oder Verfallsepochen behandelte.

Heinrich Wölfflin (1864-1945) war Schüler von Jacob Burckhardt. Sein Ziel war es, die biographische und kulturgeschichtliche Kunstgeschichte zu überwinden. Wölfflin betrachtete Kunstwerke vor allem nach ihrer äußeren Form, also ihrem Stil. Sein kunsthistorischer Ansatz wird daher auch als Formalismus bezeichnet.

Über eine vergleichende Methode und eine formale Analyse von Kunstwerken versuchte er, gewisse Regelhaftigkeiten aufzustellen. In seinen Vorlesungen verwendete er dazu konsequent zwei Diaprojektoren um Kunstwerke direkt miteinander vergleichen zu können. Dabei widmete er sich hauptsächlich dem Vergleich von Werken der Renaissance und des Barocks.

In seinem Hauptwerk „Kunstgeschichtliche Grundbegriffe“ (1915) entwickelte Wölfflin fünf begriffliche Gegensatzpaare, mit denen er die formalen Unterschiede zwischen Kunstwerken der Renaissance und des Barock beschrieben werden können: Linear – Malerisch / Fläche – Tiefe / Geschlossen – Offen / Vielheit – Einheit / Klarheit – Unklarheit und Bewegtheit.

Wölfflin verfolgte eine „Kunstgeschichte ohne Namen“, das heißt für ihn stand weniger der einzelne Künstler im Zentrum seiner Betrachtungen, als vielmehr die Entwicklung einer Stilgeschichte. So wollte er die Gemeinsamkeiten der Kunst bestimmter Epochen oder Länder aufdecken und benennen.

Kunstgeschichtliche Grundbegriffe. Das Problem der Stilentwicklung in der neueren Kunst (amazon.de)

Strukturanalyse / Strukturalismus

Während die Stilgeschichte also Formen in gemeinsamen Merkmalsgruppen einer bestimmten Zeit (Stilepochen) zusammenfasst, untersucht die Strukturanalyse die Formen und ihre Beziehungen innerhalb eines konkreten Werkes.

Hans Sedlmayr (1896-1984) wollte die Autonomie des Einzelwerkes und wandte sich damit gegen die Stilanalyse. Dieser warf er vor, die einzelne Form zu vernachlässigen. Zentrale Aspekte der Werkbedeutung würden aber erst durch die Formen und deren Beziehungen zueinander hervorgebracht werden. Daher müssten die Formen- und Farbbeziehungen genau beschrieben werden, um die für ein Werk charakteristischen Zusammenhänge zu erkennen.

Hans Sedlmayrs Kunstgeschichte. Eine kritische Studie (amazon.de)

Ikonologie und Ikonographie

Aby Warburg (1866-1929) hat mit der Ikonologie der zu seiner Zeit dominierenden Stilanalyse eine neue Methode zur Seite gestellt. Er wollte die Kunstgeschichte erweitern zu einer umfassenden, interdisziplinären Kulturwissenschaft. Dazu verließ er die Anschaulichkeit des Kunstwerkes und wandte sich Themen wie der Astronomie oder der Trachten- und Kostümkunde zu oder studierte Quellen wie beispielsweise Geschäftsbriefe.

Erwin Panofsky (1892-1968) entwickelte die Ikonologie 1939 weiter zu einem Dreistufenschema der Interpretation, das ein immer tieferes Eindringen in das Werk ermöglicht:

  • vorikonografische Analyse (Was ist dargestellt?)
  • ikonografische Analyse (Wie ist es dargestellt?)
  • ikonologische Interpretation (Was bedeutet es?)

Günter Bandmann (1917-1975) erweitert diese Methode um die Ikonologie der Werkstoffe. Er vertrat die These, dass auch das Material eines Kunstwerks ikonologisch aussagefähig sein kann. Während das Material in der Kunst der Neuzeit noch zum Handwerkszeug des Künstlers gehört und selbst ist keine „Kunst“ war, entdeckten die Künstler Mitte des 19. Jahrhunderts die stilbildenden Qualitäten des Materials. Bandmann untersuchte, welche Rolle das Material in der Kunst gehabt und auf welche Weise es im Kunstwerk mitwirkte. Vor allem bei der Betrachtung von moderner und zeitgenössischer Kunst ist die Analyse des verwendeten Materials oft unumgänglich.

Ikonologie und Ikonographie werden häufig synonym verwendet. Im Allgemeinen besteht der Unterschied darin, dass Ikonographie im Zusammenhang mit Einzelwerken verwendet wird, wohingegen der Terminus Ikonologie bei größeren künstlerischen Komplexen Verwendung findet.

Einführung in die Ikonographie: Wege zur Deutung von Bildinhalten (amazon.de)

Neuere Methoden der Kunstgeschichte

Ikonik: Max Imdahl (1925-1988) stand den seinerzeit vorherrschenden kunstgeschichtlichen Methoden kritisch gegenüber. Zum einen, weil sie keinen Sinn für die Besonderheiten des einzelnen Kunstwerks hatten und zum anderen, weil sie nur begrenzt auf zeitgenössische nicht-gegenständliche Kunst angewendet werden können. Während Ikonographie und Ikonologie ein bestimmtes Wissen zur Bildanalyse voraussetzen, basiert die Ikonik auf der unmittelbaren Anschauung des Einzelwerkes. Imdahl interessierte also nicht das außerbildlich Vorgegebene, sondern die intensive Bildanalyse in einem beschreibenden und deutenden Nachvollzug.

Max Imdahl: Giotto. Arenafresken: Ikonographie – Ikonologie – Ikonik (amazon.de)

Rezeptionsästhetik: Wolfgang Kemp (*1946) hat die Rezeptionsästhetik in die Kunstgeschichte überführt. Die Rezeptionsästhetik fragt nach der gedanklichen und emotionalen Wahrnehmung künstlerischer Werke und inwieweit sie bereits im Gegenstand angelegt ist bzw. erst im Prozess der Rezeption entsteht. Im Fokus der Untersuchung stehen die innerbildlichen Mittel der Bildvermittlung. Sie fragt, mit welchen Mitteln und unter welchen kontextuellen Bedingungen das Kunstwerk den Betrachter anspricht und seine eigene Rezeption steuert. Das Kunstwerk ist folglich immer auf den Betrachter und einen Kontext bezogen.

Wolfgang Kemp: Der explizite Betrachter. Zur Rezeption zeitgenössischer Kunst (amazon.de)

Bildwissenschaft: Hans Belting (*1935) veröffentliche 1983 ein Buch mit dem Titel „Das Ende der Kunstgeschiche?“. Darin ging er der Frage nach, ob sich die Kunstgeschichte unter dem Ansturm neuer Bildmedien in eine universelle Bildwissenschaft auflöst. Bereits Aby Warburg interessierte sich für die visuelle Form von Briefmarken und in den 1960er Jahren begannen Kunsthistoriker mit der Analyse von Plakaten. Der Bildwissenschaft liegt also ein erweiterter Bild-Begriff zugrunde, der alle Arten von Bildern und deren unterschiedliche Nutzungszusammenhänge mit einschließt. Auch Horst Bredekamp und Gottfried Boehm forderten immer wieder die Erweiterung des Faches Kunstgeschichte zu einer universellen Bildwissenschaft, welche Herstellung, Verbreitung und Gebrauch aller Arten von visuellen Artefakten in ihrem historisch veränderlichen kulturellen Kontexten erforscht, beschreibt und reflektiert.

Einführung in die Bildwissenschaft: Bilder in der visuellen Kultur (amazon.de)

(Weitere Methoden folgen…)

Bücher über die Methoden der Kunstgeschichte

Kunstgeschichte. Eine Einführung

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Das Standardwerk für Studierende und Lehrende der Kunstgeschichte bringt die vielfältigen Zugangsmöglichkeiten zur Kunst in eine gewisse Systematik. Nach einer einleitenden Gegenstandsbestimmung des Faches folgt eine Darstellung der Mittel und Methoden des Kunsthistorikers.

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Kanon Kunstgeschichte 1-4. Einführung in Werke, Methoden und Epochen

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Kanon Kunstgeschichte ist eine Einführungsreihe in vier Bänden (I. Mittelalter, II. Neuzeit, III. Moderne, IV. Gegenwart) für Studierende und alle Kunstinteressierten. Anhand herausragender Werke aus der gesamten Kunstgeschichte geben namhafte Experten einen fundierten und abwechslungsreichen Überblick über den heutigen Umgang mit Kunst.

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Klassiker der Kunstgeschichte Band 1. Von Winckelmann bis Warburg

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Dieser Bande stellt Leben, Werk und Wirkung der einflußreichsten Kunsthistoriker von Winckelmann bis Warburg vor. Ausgewiesene Kenner geben mit diesen Portraits gleichzeitig eine vorzügliche Einführung in die Geschichte und die wichtigsten Konzepte der Kunstgeschichtsschreibung.

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Klassiker der Kunstgeschichte Band 2. Von Panofsky bis Greenberg

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