Mit dem neuen Themenschwerpunkt „The Arts+“ weitet die Frankfurter Buchmesse ihre Grenzen aus. Die Kunstmesse auf der Buchmesse thematisiert immer wieder das Buch, behandelt aber hauptsächlich Fragen und Potenziale, die sich durch die zunehmende Digitalisierung für die Kunstwelt ergeben.
THE ARTS+ ist Messe, Konferenz und Treffpunkt der Kultur- und Kreativwirtschaft. Ziel der neuen Veranstaltung ist es, die Digitalisierung als Chance zu begreifen und neue Geschäftsmodelle im Kulturbereich auszuloten und auf den Weg zu bringen. Obwohl auf der Eröffnungskonferenz noch kreatives Chaos herrschte und nicht alle Aussteller zweifelsfrei in das Konzept passten, ist es dennoch an der Zeit, dass sich eine Veranstaltung diesem wichtigen Thema annimmt.
Diskutiert wurde vor allem auf der eintägigen Fachkonferenz. Als Eröffnungsredner konnte der Journalist und Bestsellerautor Jeff Jarvis gewonnen werden („What would Google do?“). Er sprach über die vierte industrielle Revolution in der Kunst und schlug die Brücke von Gutenbergs erster Druckerpresse zu den neuen digitalen Technologien.
Google präsentiert virtuelle Museumsrundgänge
Was Google gerade in Sachen Digitalisierung von Kunst tut, konnte man direkt neben dem Konferenzraum erfahren. Das US-Unternehmen hatte einen der größten Stände auf der ARTS+ Messe und stellte seinen 2011 erschienenen Dienst Google Arts & Culture vor. Die Webanwendung, die auch als App verfügbar ist, ermöglicht virtuelle Rundgänge durch bedeutende internationale Kunstmuseen. Bereits 1.200 Museen und Archive haben ihre Sammlungen auf dieser Plattform zugänglich gemacht.
Durch den Messeauftritt erhoffte sich Google neue Partner, mehr Nutzer und eine größere Sichtbarkeit. Medienkunstsammlerin Julia Stoschek kündigte an, ihre Sammlung in das Projekt aufnehmen zu lassen. Angst davor, dass ihre Werke dann nicht mehr ihr gehören, habe sie nicht. Denn auch bei digitaler Kunst sei die Betrachtung vor dem Originalwerk unersetzlich. Das Zugänglichmachen der Werke sei vor allem für die Vor- und Nachbereitung des Museumsbesuches wertvoll und ermögliche es Menschen auf der ganzen Welt, neue Sammlungen zu entdecken.
Neue Möglichkeiten durch Virtual Reality
In die virtuellen Rundgänge hat Google erst vor kurzem auch 360-Grad-Videos integriert. Mit dem Google Cardboard und der Arts & Culture App können Nutzer in virtuelle Welten innerhalb der Museen eintauchen. Die neue Technologie ist nicht nur für den Museumsbesuch auf dem heimischen Computer interessant, zukünftig wird Virtual Reality auch vermehrt innerhalb von Ausstellungen zur Vermittlung genutzt werden oder macht beispielsweise Ruinen wieder im Originalzustand begehbar.
Die virtuelle Realität spielte natürlich nicht nur bei Google eine Rolle. Der Erste Deutsche Fachverband für Virtual Reality widmete dem Thema einen eigenen Stand. Hier konnten Neugierige die Virtual-Reality-Brillen testen und in Museen, Kunstwerke, Games oder Filme eintauchen. Unter dem Motto „Welcome to Hyper Reality: #HandsOnVR!“ diskutierte der Verband die Frage, wie Virtual Reality die Kreativwirtschaft verändern wird.
Refrakt & Augmented Reality
Dass die Digitalisierung der Kunst eine neue Art der Vermittlung mit sich bringt, verdeutlicht auch die App Refrakt. Diese setzt nicht auf Virtual sondern auf Augmented Reality – die Erweiterung des Wahrnehmbaren. Mithilfe der App lassen sich ausgewählte Kunstwerke scannen, wodurch dieses ein spannendes Eigenleben entwickeln.
Entwickelt wurde die App von Carla Streckwall und Alexander Govoni als Abschlussprojekt an der Universität der Künste in Berlin im Studiengang Visuelle Kommunikation. Bekannt wurde die App durch die Guerilla-Ausstellung Objects in Mirror are Closer than they Appear in der Berliner Gemäldegalerie.
The Next Rembrandt – Kunst aus dem 3D-Drucker
Bas Korsten stellte das Projekt The Next Rembrandt vor. Dafür wurden 18 Monate lang 346 Originalwerke des niederländischen Meisters analysiert und mithilfe von 3D-Scannern erfasst. Ziel des Experimentes war, durch künstliche Intelligenz ein typisches Rembrandt-Gemälde entstehen zu lassen. Mit einem 3D-Drucker wurde „The Next Rembrandt“ schließlich mit 13 Schichten UV-Tinte ausgedruckt.
Das „Gemälde“ wurde von der Werbeagentur J. Walter Thompson im Auftrag der ING Bank realisiert. Ziel des Projektes war es nicht, einen neuen oder aktuellen Rembrandt zu kreieren. Vielmehr wollte man eine Debatte darüber anstoßen, wie Daten und Technologie in die Kunstwelt integriert werden können. Interessanterweise gibt es nur einen einzigen Druck des Werkes und das soll auch so bleiben. Das Werk steht zum Verkauf. Bisher konnte allerdings noch kein Gebot überzeugen.
David Hockney, TASCHEN und die (anderen) Kunstverlage
Trotz Fokus auf die Digitalisierung spielte auch das analoge Kunstbuch eine Rolle auf der ARTS+ Messe. Besonders der TASCHEN Verlag wusste sich zu inszenieren. Der Stand glich einer Bühne und das war er auch, denn TASCHEN präsentierte den „Star“ der diesjährigen Buchmesse: David Hockney. Wo er auftrat, da sammelte sich die Presse und das Publikum.
Nachdem der TASCHEN Verlag in den letzten zwei Jahren nicht mehr an der Frankfurter Buchmesse teilgenommen hatte, sorgte er in diesem Jahr für ein umso gewaltigeres Interesse und das mit gerade einmal einem einzigen Buch. Hockney präsentierte A Bigger Book, eine künstlerische Retrospektive auf knapp 500 Seiten im Format 50 mal 70 Zentimeter. Das Buch ist auf 9.000 Stück limitiert und kostet 2000 Euro.
Verliert das Geschäft mit dem klassischen Kunstbuch durch das Internet an Bedeutung? Der TASCHEN Verlag setzt zunehmend auf hochwertige, kostbare und limitierte Bücher. Sie sind nicht mehr vordergründig zum Lesen oder Ansehen gedacht, sondern werden selbst zum Sammelobjekt. Die anderen Kunstverlage verzichteten hingegen auf Events und Glamour und konzentrierten sich auf ihr klassisches Geschäft. Sie gaben an ihren Ständen einen umfassenden Einblick in das aktuelle Verlagsprogramm.
Documenta 14 – The Parthenon of Books
Dass Bücher auch Teil der künstlerischen Produktion sein können, zeigten die argentinische Künstlerin Marta Minujín und Adam Szymczyk, künstlerischer Leiter der documenta 14. Sie stellten das Projekt The Parthenon of Books vor und riefen zur Bücherspende auf. Im Rahmen der nächsten documenta im Jahr 2017 soll in Kassel ein Tempel aus verbotenen Büchern entstehen. Bücher, die nach Jahren des Verbots heute wieder verlegt werden oder in einigen Ländern legal verbreitet, in anderen aber untersagt sind. Marta Minujín plant ein Replik des Parthenons in Originalgröße. Die Installation soll auf dem Friedrichsplatz in Kassel entstehen, dort wo 1933 unter den Nationalsozialisten Bücher verbrannt wurden.