Workshop am Deutschen Forum für Kunstgeschichte, Paris, 10. Oktober 2016
Einsendeschluss: 15.06.2016
Als im Mai 1936 die Pariser Galerie Charles Ratton die »Exposition surréaliste d’objets« präsentiert, möchte sie die Möglichkeiten des Surrealismus veranschaulichen, die Wirklichkeit zu transfigurieren, ohne diese jedoch zu metamorphosieren. Die ausgestellten Objekte – mathematische Objekte, objets trouvés sowie Objekte aus Nordamerika und Ozeanien – werden in den Status des Phantastischen erhoben, obwohl sie keinerlei Veränderung oder Transformation erfahren. Es sind die Dichter, die einen „Gebrauchsgegenstand allein durch Wahl des Künstlers in den Rang eines Kunstgegenstands erheben“, wie André Breton 1938 im »Dictionnaire abrégé du Surréalisme« erklärt.
Zahlreiche Studien, jüngst die Ausstellung »Le surréalisme et l’objet« 2013 im Centre Pompidou, sind seitdem dem surrealistischen Paradoxon zwischen dem Bereich des Traums und der Phantasie einerseits sowie der materiellen Wirklichkeit andererseits nachgegangen. Im Rahmen eines Workshops soll nun das Interesse insbesondere auf das objet sauvage gelenkt werden. Also auf jene Gegenstände, die aus Ozeanien, Afrika und Nordamerika kommen und nicht nur in der Ästhetik des Surrealismus, sondern auch in den Sammlungen der Dichter und Künstler einen wichtigen Platz einnehmen. Jenseits ihrer Magie besitzen diese Objekte einen konkreten Tauschwert: Roland Tual, der Geschäftsführer der 1926 eröffneten Galerie surréaliste, macht mit den Berliner Galeristen Hildebrand Gurlitt sowie Karl und Josef Nierendorf Geschäfte mit ozeanischen und afrikanischen Objekten. Paul Eluard ist immer auf der Suche nach Objekten, die er Pariser Kunsthändlern wie Charles Ratton verkaufen kann. Aus seiner Korrespondenz mit Gala geht hervor, dass der Sammler schon beim Ankauf der Objekte stets ihren Weiterverkauf im Kopf hat. Ebenso begreift André Breton diese Objekte, abgesehen von ihrer großen ästhetischen Qualität, als Bestandteile seiner Maklertätigkeit, von der er lebt.
Der Workshop möchte diese weniger bekannten Aspekte der Faszination surrealistischer Künstler, Sammler und Kunsthändler für die sogenannte primitive Kunst in den Fokus rücken. Es erscheint geradezu paradox, dass ausgerechnet die Surrealisten zur materiellen Kommerzialisierung ebenjener Objekte beitragen, denen sie im Zuge ihrer Ideologie surrealistische Bildqualitäten zuschreiben. Die Analyse der Sammlungen von surrealistischen Dichtern und Künstlern kann dazu beitragen, besser zu verstehen, wie eng auf diese Weise Kunst und Leben miteinander verbunden waren. Es ist zu fragen, inwieweit der Verkauf von surrealistischer Kunst vom zeitgenössischen Interesse der Händler an Kunst indigener Völker profitierte; in Europa wie in den USA, wie das Beispiel Julius Carlebach zeigt. In welchem Verhältnis standen die ethnologischen Forschungen mit der Entwicklung der Avantgarden? Inwieweit wurden die Surrealisten bei der Präsentation ihrer Sammlungen von dem Display in völkerkundlichen Museen angeregt? Und schließlich: In welchem Verhältnis stand das Selbstverständnis der Surrealisten als internationaler Avantgarde mit den Weltkünsten von einst?
Der Workshop Surrealismus und primitive Kunst« richtet sich insbesondere an Nachwuchswissenschaftler/innen. Er schreibt sich in das Forschungsprojekt des Labex »Le surréalisme au regard des galeries, des collectionneurs et des médiateurs, 1924-1959« ein und knüpft an die beiden Workshops »Le monde au temps des surréalistes« (November 2014) und »Le Surréalisme dans l’Europe de l’entre-deux-guerres« (März 2016) am Deutschen Forum für Kunstgeschichte an.
Bitten reichen Sie Ihre Vorschläge (max. 1 Seite auf Deutsch, Französisch oder Englisch) zusammen mit einer Kurzbiographie bis zum 15. Juni 2016 ein.
Julia Drost, Deutsches Forum für Kunstgeschichte, Paris (jdrost@dfk-paris.org)
Fabrice Flahutez, Université Paris Ouest (flahutez@gmail.fr)
Martin Schieder, Universität Leipzig (schieder@uni-leipzig.de)