Sie haben innerhalb weniger Jahre die Malerei revolutioniert: Claude Monet als Schlüsselfigur des Impressionismus und seine Künstlerkollegen wie Auguste Renoir, Édouard Manet, Berthe Morisot, Edgar Degas, Alfred Sisley und Camille Pissarro. Die Ausstellung „Monet und die Geburt des Impressionismus“ im Städel Museum Frankfurt beleuchtet, wie der vollkommen neue Stil des Impressionismus entstehen konnte und sich in der Malerei ein radikaler Wandel des Verhältnisses von Bildinhalt und Form vollzog.
Das 19. Jahrhundert war eine Zeit der Umbrüche und der unterschiedlichsten, zeitgleich stattfindenden Entwicklungen, die auch in der Malerei der Impressionisten ihre Spuren hinterließen. Damals vollzog sich durch die zunehmende Industrialisierung ein Wandel des Verhältnisses von Mensch und Natur sowie von Arbeit und Freizeit. Der technische Fortschritt führte zu einer allgemeinen Beschleunigung des Lebens. Auch die visuelle Erfahrung der Großstadt und die Verbreitung neuer Medien wie der Fotografie wirkten sich maßgeblich auf die Werke der Künstler dieser Epoche aus.

Protagonist und ständiger Bezugspunkt in der Ausstellung ist Claude Monet, der unter den Künstlern seiner Zeit eine Vorreiterrolle in der Verbreitung der Freilichtmalerei einnahm. In seinem Werk treten die formalen Neuerungen des Impressionismus, wie der klar erkennbare Pinselstrich und eine rasche, skizzenhafte Malweise, besonders deutlich hervor. Monets Œuvre zeigt zudem augenfällig die Ablösung großformatiger Figurenbilder durch kleinere Landschaftsszenen, die sich in der Kunst der Impressionisten im Allgemeinen vollzog.
Wichtige Vorbilder: Die Schule von Barbizon
Die Ausstellung widmet sich zunächst wichtigen Vorbildern der Impressionisten wie der Schule von Barbizon. Statt Bilder mit historischen, religiösen oder mythologischen Themen malten sie vor allem kleinformatige Landschaften unter freiem Himmel. Auch die Tendenz zu einer skizzenhaften Malweise und eine Loslösung von der akademischen Tradition erkennen lässt, hatte großen Einfluss auf die Impressionisten.
Frühe impressionistische Kunst
Den Auftakt der frühen impressionistischen Kunst in der Zeit von 1864 bis ca. 1870/71 bildet eine Auswahl von Gemälden, die im Wald von Fontainebleau entstanden sind. Hier arbeiteten die Maler der Schule von Barbizon an ihren Freilichtstudien. Ihren Vorbildern folgend, suchten auch Monet und seine befreundeten Künstlerkollegen Frédéric Bazille, Pissarro, Renoir und Sisley diesen Ort zum Malen auf. Flankiert wird das Kapitel von einem Fotokabinett, das sich inhaltlich dem Thema Natur in der Fotografie der damaligen Zeit widmet und so das Nebeneinander der Arbeit von Malern und Fotografen im Wald von Fontainebleau aufzeigt.

Paris und der Einfluss der Großstadt
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wandelte sich Paris von einer durch mittelalterliche Strukturen geprägten Stadt zu einer modernen, als fortschrittlich empfundenen Metropole mit großen Plätzen und ausladenden Boulevards. Monet entdeckte in dieser Zeit das Motiv des öffentlichen Stadtraums für seine Malerei. Der Quai du Louvre aus dem Jahr 1867 (Gemeentemuseum, Den Haag) zeigt den Blick vom Balkon des berühmten Museums. Nicht die Alten Meister in den Galerien interessierten Monet, sondern der Blick in den Alltag der Gegenwart. Der Künstler und seine Kollegen malten aber auch weiterhin Landschaften und Seestücke.

Bruch mit Pariser Salon und radikale Neuorientierung
Der hintere Teil des Erdgeschosses widmet sich den Jahren von 1868 bis zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Das zentrale Werk hier ist das Gemälde Das Mittagessen (1868/69) aus dem Städel. Die Darstellung des Heims eines Paares ohne Trauschein und mit unehelichem Kind war eine gezielte Provokation und eine Kritik an den herrschenden Konventionen. Zudem war es das erste Mal, dass ein Künstler ein privates Interieur in einem solchen Format wiedergab. Das 2,31 x 1,51 Meter messende Werk wurde 1870 gemeinsam mit der ebenfalls eingereichten Darstellung der Grenouillère (1869) von der Salonjury abgelehnt, was Monet zu einem Bruch mit dem Pariser Salon und einer radikalen Neuorientierung in seiner Kunst bewegte: Das Mittagessen markiert den Endpunkt seiner großformatigen Figurenbilder und die Überwindung von Manet als künstlerischer Referenz.

Natur und Atmosphäre im Mittelpunkt
Im zweiten Teil der Ausstellung wird die weitere Entwicklung von Monets Œuvre und Werken anderer Impressionisten zwischen 1872 und 1880 nachgezeichnet, bis hin zu der Phase, in der die Unterordnung des Bildgegenstandes unter atmosphärische Phänomene ihren Höhepunkt erreichte. Nicht mehr Mensch und Interieur, sondern Natur und Atmosphäre stehen nun im Mittelpunkt. Monet konzentriert sich nun vor allem auf die Wiedergabe von Licht und Farbigkeit sowie auf die Vermittlung einer bestimmten Stimmung. Mit seinem Bild Der Boulevard des Capucines aus dem Jahr 1873 findet sich in diesem Raum auch eine Darstellung der Stadt Paris. Die Spaziergänger auf der Straße sind nur skizzenhaft und durch schnelle Pinselstriche als anonyme Masse festgehalten. Monet gelingt es hier, die Unruhe und die Bewegung der Stadt mit malerischen Mitteln meisterlich festzuhalten, weshalb dieses Werk schon zu Lebzeiten des Künstlers große Bewunderung hervorrief.
Landschaft und Freizeit
Im nächsten Kapitel der Ausstellung sind Landschaftsdarstellungen und Freizeitszenen aus den Jahren 1873 bis 1878 zu sehen, die das sich wandelnde Verhältnis des Menschen zur Natur thematisieren. Wie etwa Monets Gemälde Sommer von 1874 veranschaulicht, gewinnt in dieser Zeit die Natur als Erholungsort für den modernen Städter zunehmend an Bedeutung.

Metropole Paris
Im sich anschließenden, großen Hauptraum der Etage steht die Metropole Paris im Mittelpunkt. Hier werden Motive des städtischen Lebens in Gemälden von Degas, Morisot, Renoir und anderen Künstlern einander gegenübergestellt. In Monets Bahnhofsszenen wird die zunehmende Auflösung der dargestellten Szenerie durch eine skizzenhafte, diffus wirkende Malweise offensichtlich: So zeigt sein Werk Außerhalb des Bahnhofs Saint-Lazare (Das Signal) von 1877 im Zentrum ein großes, den Blick versperrendes Verkehrsschild. Das hinter dem Signal zu erahnende Bahnhofsgelände erscheint wie die am Zugfenster vorbeiziehende Landschaft während der schnellen Fahrt des neuen Verkehrsmittels unscharf, die Wahrnehmung wird zudem durch den Dampf der Lokomotive eingeschränkt. Hier wird das verhinderte Sehen zum Motiv erhoben, während der eigentliche Bildgegenstand zunehmend in den Hintergrund rückt.

Spätwerk – Auflösung der Bildgegenstände
Zuletzt versammelt die Ausstellung einige charakteristische Arbeiten aus dem Spätwerk Monets, an denen sich die Entwicklung zum fast vollständigen Verlust des Bildgegenstandes besonders gut aufzeigen lässt: In den hier präsentierten vier Gemälden der 1892–94 entstandenen Serie der Kathedrale von Rouen und den Darstellungen der ebenfalls in dieser Zeit entstandenen Londoner Brücken sind die Bauwerke nur noch zu erahnen, erscheinen nahezu substanzlos. Die Wiedergabe der Lichtstimmung dominiert die Kompositionen.

Das Digitorial zur Ausstellung
Auf einer responsiven Website werden wissenswerte Hintergründe, kunst- und kulturhistorische Kontexte sowie wesentliche Ausstellungsinhalte für Besucher aufbereitet. Das kostenlose digitale Angebot in deutscher und englischer Sprache ermöglicht es dem Publikum, sich bereits vor dem Museumsbesuch auf die Themen der Ausstellung einzustimmen. Die multimediale Verschränkung von Bild, Ton, Film und Text schafft eine multiple Vernetzung der Inhalte und eröffnet völlig neue Wege der Darstellung, Erzählung und Vermittlung von Kunst. Das Digitorial ist unter monet.staedelmuseum.de abrufbar.
Monet und die Geburt des Impressionismus
Städel Museum, Frankfurt am Main
11.03. – 21.06.2015
www.staedelmuseum.de
Katalog zur Ausstellung:
Monet und die Geburt des Impressionismus
Zur Ausstellung erscheint im Prestel Verlag ein umfassender, von Felix Krämer herausgegebener Katalog. Mit einem Vorwort von Max Hollein und Texten von Christoph Asendorf, Eva Bader, Marlene Bielefeld, Hollis Clayson, André Dombrowski, Chantal Eschenfelder, Dorothee Hansen, Felicity Korn, Felix Krämer, Svenja Mordhorst, Ingrid Pfeiffer, Isolde Pludermacher, Nele Putz, Nerina Santorius, Beate Söntgen und Maria Zinser.