Michelangelo Buonarroti (1475–1564) war schon zu Lebzeiten eine Legende und genoss den Status eines artista divino („göttlichen Künstlers“). Seine Arbeiten wurden von zahlreichen Künstlern bewundert, nachgeahmt und interpretiert, und seine Kunst spielte in Ateliers, Akademien und den Kabinetten von Sammlern und Bildungsreisenden eine zentrale Rolle. Die Ausstellung „DER GÖTTLICHE – Hommage an Michelangelo“ in der Bundeskunsthalle Bonn dokumentiert die ununterbrochene Auseinandersetzung mit einem Künstler, der für Jahrhunderte Maßstäbe setzte.
Die Ausstellung erzählt von der immensen Wirkung Michelangelos auf die europäische Kunst seit der Renaissance bis heute. Gezeigt werden Arbeiten bedeutender Künstler aus fünf Jahrhunderten, die in einen schöpferischen Dialog mit den Werken und künstlerischen Prinzipien des Florentiners getreten sind. In der Rezeption Michelangelos durch so wichtige Künstler wie Raffael, Pontormo, Allori, Giambologna, Annibale Carracci, Caravaggio, Rubens, Füssli, Rodin, Cézanne, Moore, Mapplethorpe, Hrdlicka, Lüpertz oder Struth werden das Potenzial seiner Kunst und ihre Aktualität greifbar.
Der Einfluss der Werke Michelangelos liegt vor allem in seiner Rhetorik des Körpers begründet, denn er schuf ein nie dagewesenes, prägendes Repertoire an Ausdrucksformen für Gefühle, für innere Zustände von Tragik, Trauer, Liebe, Glaube, aber auch die Dramatik von Leid und Kampf. Die weite Verbreitung durch Druckgrafik, Gemälde, Kleinplastik und Zeichnungen ermöglichte eine ununterbrochene Auseinandersetzung mit seinem Werk.
Michelangelo als Prototyp des modernen Künstlers
Von keinem Künstler der frühen Neuzeit gibt es so viele Porträts wie von Michelangelo. Zahlreiche Darstellungen in Zeichnungen, Gemälden, Kupferstichen, Skulpturen oder Medaillen entstanden zu Lebzeiten des Künstlers oder bald nach seinem Tod. Später kamen Szenen aus dem Leben Michelangelos hinzu: der Meister mit Auftraggebern höchsten Ranges, im Atelier bei der Arbeit, seine Werke präsentierend oder als Lehrer der Anatomie.
Voraussetzung für solche Darstellungen waren die Biografien Giorgio Vasaris (1550, 1568) und Ascanio Condivis (1553), die Michelangelos Lebensgeschichte farbig und detailreich, mit vielen Anekdoten gewürzt, interpretierten. Das von Tragik und Einsamkeit geprägte Leben des genialen und erfolgreichen Künstlers wurde zum Prototypen des modernen Künstlerbildes.
Michelangelos Einfluss reicht bis in der zeitgenössischen Kunst
Die Interpretationen seiner Arbeiten bis in die zeitgenössische Kunst erstrecken sich von Nachahmung und Hommage bis zur kritischen Distanzierung und machen die ungebrochene Aktualität Michelangelos auf faszinierende Weise sichtbar. Werke von Markus Lüpertz, Henry Moore, Robert Mapplethorpe, Michael Triegel oder Thomas Struth zeigen, auf welch unterschiedliche Weise sich Künstler auch heute noch mit Michelangelo auseinandersetzen.
Die Fotografien „Audiences“ von Thomas Struth zeigen Besucher der Galleria dell’Accademia in Florenz unter dem Eindruck der Kolossalstatue des David. Es ist gerade die Abwesenheit des Werkes, die die Faszination dieser Arbeiten ausmacht, so dass man sich zwangsläufig auf die Suche nach dem begibt, was die Betrachter so konzentriert anschauen. Und spätestens, wenn man in den Brillengläsern die Konturen oder Spiegelungen der Skulptur entdeckt, versteht man den konzeptionellen Ansatz bei Struth.
„DER GÖTTLICHE“ zählt zu unseren 10 besten Ausstellungen 2015.
DER GÖTTLICHE – Hommage an Michelangelo
Raffael · Caravaggio · Rubens · Rodin · Cézanne · Struth
06.02. – 25.05.2015
www.bundeskunsthalle.de
Katalog zur Ausstellung:
Der Göttliche – Hommage an Michelangelo
24,5 x 28 cm, Hardcover / 288 Seiten, ca. 400 Abbildungen / Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH / Hirmer Verlag, München