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JR-Ausstellung im Museum Frieder Burda, Baden-Baden

JR im Museum Frieder Burda Baden-Baden

Das Museum Frieder Burda stellt seit 1. März den französischen Streetart-Künstler JR (*1983) aus, der im Rahmen dieser Ausstellung auch ein Projekt im öffentlichen Raum verwirklicht hat. Die retrospektive Museumsausstellung – kuratiert von Patricia Kamp – gibt mit Fotos und Videos des Künstlers einen Überblick über dessen bislang verwirklichte und aktuell laufende Projekte.

JRs künstlerische Arbeit begann im Jahr 2000 in Paris, als er eine schlichte Kamera fand und seine Leidenschaft für dieses Medium entdeckte. Eine seiner ersten Serien zeigt Pariser Graffiti-Künstler während ihren Aktionen. Es entstanden außerordentlich authentische Bilder, durch die wir einen flüchtigen Einblick in eine geheime Welt erhalten, von der wir sonst nur die Resultate – die fertigen Graffiti – sehen. Auch JR wollte seine Werke öffentlich präsentieren und so begann er 2001 seine Bilder als Poster zu vervielfältigen und klebte sie auf Bauzäune und Schaufenster. Meist gruppierte er mehrere Bilder nebeneinander, sprühte in greller Farbe einen Rahmen um seine Werke und verband sie mit einer Linie. Diese Werkserie nannte er Expo 2 Rue. Schon früh entdeckte er also den öffentlichen Raum für sich, den er als größte Kunstgalerie der Welt begreift.

Sein Bekanntheitsgrad wuchs schnell. Er reiste nach Venedig, Brüssel, Barcelona und Rom. Seine Bilder wurden größer und warteten nun bis zu 4 Meter hoch auf spontane Betrachter. Dabei steht nie das einzelne Bild im Vordergrund. Stattdessen arbeitet JR in Serien und realisiert aufwendige Projekte, in denen es um die Menschen vor der Kamera und deren Geschichten geht. Er schießt Portraits von ihnen, doch seine Methode ist ungewöhnlich: Er verwendet ein 28mm-Weitwinkel-Objektiv und der Abstand zu seinen Modellen beträgt nur wenige Zentimeter. Auch die Mimik seiner Modelle ist ungewöhnlich. Sie lächeln nicht einfach nur starr in die Kamera, sondern schneiden Krimassen und werden somit freiwillig zu einer Karikatur ihrer selbst.

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Die Kunst von JR ist vergänglich. Der Kleber haftet nicht für immer und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Wind seine Kunstwerke fortweht oder gar Reinigungskommandos für das schnelle Verschwinden der Bilder sorgen. Daher ist die Dokumentation der Aktionen von großer Wichtigkeit. So beinhaltet die Ausstellung im Museum Frieder Burda hauptsächlich Fotografien von JR’s Projekten aber auch Videos werden in der Ausstellung gezeigt, die sich besonders gut eignen, um die Arbeitsweise von JR zu verdeutlichen.

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28 Millimeter, Portrait of a Generation
JR: Jump, Les Bosquets, Montfermeil, 2004

Das früheste Projekt, das im Museum Frieder Burda gezeigt wird, ist Portrait of a Generation. Als es im November 2005 zu Unruhen in den Pariser Vororten kam und die Autos zu brennen begannen, informierten uns die Medien über die Geschehnisse. Es entstand das Bild einer Generation, die außer Kontrolle geraten ist, eine Generation, vor der man sich fürchten muss. Der damalige Innenminister Nicolas Sarkozy bezeichnete sie sogar als „racaille“ (Gesocks). JR griff zur Kamera und stellte diesen erschreckenden Bildern seine eigenen entgegen. In seiner typischen Arbeitsweise schoss JR Portraits von jungen Frauen und Männern mit einem 28mm–Objektiv in les Bosquets, dem „Ghetto“ von Montfermeil. Er griff das Bild der Medien auf und zeigte die Jugendlichen genau so, wie die Öffentlichkeit es gewohnt war: als Bedrohung, als Monster. Die Portraitierten stecken die Zunge raus, blicken den Betrachter böse an oder imitieren eine Schweinenase. Damit bediente JR das Klischee der Medien und zwar so offensichtlich, dass es in sich zusammenfiel.

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28 Millimeter, Face 2 Face
JR: Holy Triptych, 2006

Für das Projekt Face 2 Face fotografierte JR im Dezember 2006 humorvolle Portraits von Krimassen schneidenden Israelis und Palästinensern, die – obwohl sie Nachbarn sind – nur wenig voneinander wissen. Ihr Bild der Anderen ist maßgeblich von den Medien geprägt, die nicht selten Tatsachen verdrehen oder sogar inszenieren, um Hass zu schüren oder militärische Aktionen zu rechtfertigen. Die entstandenen Bilder wurden überlebensgroß Face 2 Face an die Wände des Grenzgebietes geklebt. Israelis und Palästinenser, die dem gleichen Beruf nachgehen, wurden neben- oder übereinander an Hauswände, Werbetafeln und sogar auf die Grenzmauer selbst geklebt. So waren die Menschen gezwungen, in die Augen ihrer „Feinde“ zu blicken. Das Problem daran war allerdings, dass man auf den ersten Blick unmöglich erkennen konnte, welches der beiden Gesichter einen Israeli oder einen Palästinenser abbildet. Die Ähnlichkeit der beiden verfeindeten Gruppen tritt zutage, die von den Menschen dort selbst kaum wahrgenommen wird. Die Grenzmauer konnte JR mit dieser Aktion zwar nicht einreißen, aber mit Sicherheit einige Mauern in den Köpfen der Menschen.

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28 Millimeter, Women are Heroes
Aktion in der Favela Morro da Providência, Treppe, Rio de Janeiro, Brasilien, 2008 (links)
Aktion im Kibera Slum, Nahaufnahme Auge auf Zug, Kenia, 2009 (rechts)

Für die Werkserie Women Are Heroes porträtierte JR Frauen in Elendsvierteln rund um den Globus und plakatiert ihre Fotos in Riesenformaten in ihrer Umgebung. Mit dieser Aktion verwandelte er ganz Dörfer, Slums und Favelas in Galerien. Mit seinen monumentalen Fotografien machte er aus anonymen Frauen Heldinnen, deren Geschichten um die ganze Welt gingen. Zu diesem Projekt entstand auch ein Film, der bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes im Jahr 2010 als Wettbewerbsbeitrag gezeigt wurde.

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INSIDE OUT
Fotokabine im UG des Museums Frieder Burda

An dem Projekt Inside Out haben bereits mehr als 200.000 Menschen auf der ganzen Welt teilgenommen. Auch im Museum Frieder Burda steht dafür eine mobile Fotokabine im Untergeschoss bereit, in der sich jeder Besucher fotografieren lassen kann. Das fertig gedruckte Poster kommt wenige Minuten danach über ein Laufband „vom Himmel gefallen“. Anschließend soll das entstandene Poster von dem Portraitierten selbst im öffentlichen Raum – oder zumindest „gut sichtbar“ – angebracht werden. So kann jeder seine Botschaft verbreiten oder seine eigene Geschichte erzählen – ganz im Stil von JR. Für dieses globale Kunstprojekt erhielt der Künstler 2011 den TED Prize.

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INSIDE OUT
Poster in der Kreuzstraße, Baden-Baden

Für das Projekt Unframed verwendet JR erstmals keine eigenen Fotos, sondern Werke bekannter oder unbekannter Fotografen. Die Fotos stammen aus Archiven oder privaten Fotoalben. Bisher reiste er nach Marseille, Bordeaux, Washington, São Paulo und Grottaglie in Süditalien. Im Rahmen der Ausstellung kommt dieses Projekt auch nach Baden-Baden. UNFRAMED Baden-Baden befasst sich als großes Projekt im Baden-Badener Stadtraum mit der deutsch-französischen Geschichte und Freundschaft. Ausgestattet mit einer Karte kann der Besucher nach dem Gang durch die Ausstellung im Museum Frieder Burda durch die verwinkelten Gassen der Innenstadt streifen und sich auf die Suche nach den großen Pastings begeben. Der Selbsttest hat gezeigt, dass das gar nicht so einfach ist. Man muss schon genau hinzusehen und die Stadt mit wachen Augen erkunden. Eine Art Schnitzeljagt für Kunstfans.

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UNFRAMED Baden-Baden, Fürstenbergallee 24
Während der Aufnahme des SWF Kinderhörspiels, Kampf der Tertia, 1951, interpretiert von JR, 2014

JRs künstlerisches Schaffen begann mit einem Fotoapparat, doch er ist mehr als nur ein Fotograf. Im Zentrum seines Schaffens steht vor allem, was mit den großformatigen Drucken seiner Portraits geschieht. Die Konfrontation mit den Bildern im öffentlichen Raum, das Aufwerfen von Fragen, das ist das eigentliche Ziel seiner Arbeit.

Die Ausstellung JR stellt die bisherigen Projekte des französischen Streetart-Künstlers vor. Wer diese bereits kennt, wird wenig Neues entdecken. Streetart lebt von der Interaktion mit der Umgebung. Das kann in einem Museum nur bedingt funktionieren. Der Versuch wurde mit einzelnen Arbeiten unternommen – davon hätte ich mir mehr gewünscht. Das INSIDE OUT Projekt setzt aber genau da an. Hier kann der Besucher selbst zum Künstler oder zumindest zum Teil eines Kunstprojekts werden. Diese Partizipation ist typisch für JR und lässt die Ausstellung zu einem interaktiven Erlebnis werden. Interessant ist auch das Ausgreifen der Ausstellung in den öffentlichen Raum mit dem Projekt UNFRAMED Baden-Baden. Die Auseinandersetzung mit dem Ort und dessen Geschichte sensibilisiert für die Wahrnehmung des Raumes, deren Vergangenheit und regt dazu an, die eigene Gegenwart zu reflektieren. Diese beiden Projekte machen die Ausstellung im Museum Frieder Burda zu einem gelungenen Gesamtkonzept, das die Erschließung der Kunst von JR zu einer anregenden Erfahrung werden lässt.

JR / Museum Frieder Burda, Baden-Baden / 1.3.2014 – 29.3.2014 / Di bis So von 10-18 Uhr / Eintritt: 12€ / 10€ (ermäßigt) / 5€ (Studenten der Kunst oder Kunstgeschichte) / Weitere Informationen im Internet: www.museum-frieder-burda.de

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Women are Heroes

With a chapter on each of the countries JR visited, the book presents thrilling views, ranging from entire neighbourhoods to close-up images of humble walls, of the murals in place, along with more than 80 of his original photographic portraits paired with interviews. The women discuss their lives and dreams, sharing stories of adversity, survival and the desire to build a bright future.

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JR 28 mm

D’où l’idée de réaliser une sorte de complilation des trois titres, un best of du projet 28 mm, retraçant son travail de 2004 à 2010, mais avec une maquette totalement originale, entièrement en couleur, beaucoup de photos inédites et des rubriques expositions à la fin de chacun des trois chapitres.

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