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„Tattoo“ im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Tattoo-Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Thea Duskin, Untitled, 2011, Foto: Kimberly Frost, © Thea Duskin

Tattoos erzählen persönliche Geschichten, schaffen Identität und Zugehörigkeit, sollen schmücken, heilen und schützen, sie faszinieren oder stoßen ab, werden mystifiziert oder sind Teil von Trends. Die Ausstellung „Tattoo“ im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg lotet erstmals das breite Spektrum dieser alten und noch immer sehr lebendigen Kulturtechnik im Fokus von Kunst und Design aus.

Mit mehr als 250 Arbeiten vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart widmet sich „Tattoo“ alten Traditionen und erzählt neue Geschichten. Fotografien, Farbholzschnitte, Gemälde und Skulpturen, Videoarbeiten und Audioinstallationen zeigen die Vielfältigkeit dieses Mediums. Die Ausstellung beleuchtet die Ambivalenz des Tattoos zwischen Auszeichnung, sozialer Zuordnung, Identitätsmerkmal und Stigmatisierung in verschiedenen Kulturen, sozialen Schichten und Epochen.

Tattoo-Ausstellung im MKG Hamburg
Ausstellungsansicht, Foto: Michaela Hille

Von der traditionellen Kulturtechnik zur Verbreitung in der westlichen Welt

Viele Kulturen nutzen weltweit die menschliche Haut als Bildträger. Die Tradition der Tätowierung gehört zu den frühen Kunstformen und ältesten Handwerkspraktiken, die noch heute das Alltagsbild prägt. Die Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg stellt ausgewählte Beispiele vor.

Tattoo-Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Jens Uwe Parkitny, Ma Hla Oo aus Laytu-Chin, Nördliches Rakhine, Birma, Foto: Jens Uwe Parkitny

Die Gesichtstätowierungen der Chin-Frauen in Birma etwa sind Teil eines Rituals, das den Übergang von der Kindheit zur Welt der Erwachsenen markiert. Mit Hilfe von Dornen oder Nadeln werden Muster von Tätowiererinnen in die Haut eingebracht, die sich von Familienclan zu Familienclan unterscheiden. Auch die neuseeländischen Tā Moko, die Gesichts-Tätowierungen der Maori, geben Auskunft über die Familienzugehörigkeit und soziale Stellung der Person. Jede Gesichtspartie ist bestimmten Informationen vorbehalten, so zeugt eine Tätowierung der Stirnmitte etwa von einem hohen Status.

In der westlichen Welt prägen im 18. und 19. Jahrhundert illustrierte Reiseberichte den Blick auf die fremden Kulturen in Übersee und wecken die Neugier für die damals exotischen Tätowierpraktiken. Tattoos erleben in Europa und Amerika in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg eine Blütezeit. So sind selbst die Angehörigen der amerikanischen Oberschicht und nahezu aller europäischen Fürstenhäuser – einschließlich des Deutschen Kaiserhauses – tätowiert. In dieser Zeit gilt diese Form des Körperschmucks als Ausdruck von gutem Geschmack.

Im 19. Jahrhundert bildet sich aber vor allem im Bürgertum eine ambivalente Haltung gegenüber der Tätowierung heraus. Durch die Verbreitung des Tätowierens in verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und Gruppierungen vervielfältigen sich im letzten Jahrhundert die Funktionen und Bedeutungen des Tattoos. Vor allem die Doppeldeutigkeit von Stigma und Auszeichnung zeigt sich symptomatisch im milieuspezifischen Umgang mit Tätowierungen. Während Seeleute und Soldaten mit exotischen Bildmotiven ihre Reisetätigkeit dokumentieren, entwickeln sich Tätowierungen im kriminellen Milieu regelrecht zu Erkennungszeichen.

Tattoo-Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Unbekannt, Karl Paul Johann Frank, Hamburg, 1880-1890, © Hamburg Museum, Sammlung Fotografie
Tattoo-Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Ralf Mitsch, Tim, 2014, aus der Serie „Why I love Tattoos“, © Ralf Mitsch

Das Tattoo in der zeitgenössischen Kunst

Das komplexe Bedeutungsspektrum spielt auch in der zeitgenössischen Kunst eine große Rolle. Der spanische Konzeptkünstler Santiago Sierra beispielsweise thematisiert in seiner filmischen Arbeit die Tätowierung aus gesellschafts- und kapitalismuskritischer Sicht. Er bezahlte Angehörige sozialer Randgruppen dafür, sich in einer Performance eine durchgehende Linie auf den Rücken tätowieren zu lassen. Mit der bewusst unsauber gesetzten Linienführung verweist er auf deren prekäre Stellung und die damit verbundene gesellschaftliche Stigmatisierung.

Tattoo Timm Ulrichs - The End
Timm Ulrichs, The End, 1970, 1981, 1997, Augenlid-Tätowierung, Inkjet-Print auf Leinwand auf Keilrahmen, 150 x 150 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Dass Tattoos zwar von lebenslanger Dauer, aber gleichzeitig so vergänglich wie das Leben ihrer Träger selbst sind, zeigt uns eindrucksvoll Timm Ulrichs: Er ließ sich 1981 „THE END“ auf das rechte Augenlid stechen. Nur bei geschlossenem Auge zu lesen, erinnert die Tätowierung an den Abspann eines Kinofilms, die letzte bühnenreife Vorstellung und den finalen Augenblick. Die auch filmisch dokumentierte Tätowier-Aktion entstand im Kontext des gleichnamigen Videos, das 60 Schlussbilder unterschiedlicher Filmklassiker unkommentiert aneinander reiht. Der „Totalkünstler“ macht seinen Körper – sein gesamtes Leben – zum Kunstwerk. Konsequenterweise ließ er sich 2005 den Schriftzug „© by Timm Ulrichs“ auf den Unterschenkel tätowieren.

Die Ausstellung „Tattoo“ ist eine Produktion des Gewerbemuseum Winterthur, Schweiz, kuratiert von Susanna Kumschick, und wird im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg erstmals in Deutschland gezeigt.

TATTOO
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
13.02.2015 – 06.09.2015
www.mkg-hamburg.de

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